Das Bild ging damals um die Welt: Der deutsche Bundeskanzler
Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle fassten
sich vor dem
Pariser Elysee-Palast an den Händen und beendeten damit symbolisch die einstige
„Erbfeindschaft“ ihrer beider Länder; der deutsch-französische Staatsvertrag war
dazu das historische Dokument.
An diesem 22. Januar im Jahr 1963 gab es aber in Deutschland schon wenige
Städtepartnerschaften, deren Begründer vor der offiziellen Staatsverschwisterung
eine wahre Pionierleistung vollbracht hatten. Dazu zählten die damals frisch
ernannte Große Kreisstadt Weinheim an der Bergstraße und die Stadt Cavaillon in
der südfranzösischen Provence am Fuße des Luberon-Gebirges, damals wie heute
bekannt durch ihren Obst- und Gemüseanbau – vor allem aber durch ihre
süßsaftigen Melonen.
Weinheim und Cavaillon feiern in diesem Jahr mit gegenseitigen Begegnungen das
50-jährige Bestehen ihrer Jumelage. Diese Städtepartnerschaft
ist die älteste im gesamten Rhein-Neckar-Kreis und eine der ältesten in ganz
Baden. In der Metropolregion gibt es zwei, die noch älter sind: Zwischen
Neustadt an der Weinstraße und Mâcon, sowie zwischen Speyer und Sparding. Beide
Verschwisterungen wurden 1956 geschlossen. In ganz Baden-Württemberg können nur
eine Handvoll Städte auf eine längere Tradition zurückblicken.
Wie aber wurden die Weinheimer zu Pionieren der Partnerschaft?
Die beiden Partnerschaftsbegründer leben nicht mehr, es waren der damalige
Oberbürgermeister Rolf Engelbrecht und sein französischer Amtskollege Fleury
Mitifiot. Aus Briefen geht aber hervor, dass beide Kommunalpolitiker damals
nicht nur die Weitsicht teilten, sondern auch eine „tiefe Sympathie und
Hochachtung“ füreinander. So erinnerte sich zum Beispiel 1985
Stadtverwaltungsdirektor Alfred Beck, der an der Seite Engelbrechts die Anfänge
der Partnerschaft begleitete. Seine ersten Reiseberichte sind im Weinheimer
Rathaus erhalten.
Als es im Juni und im September 1958 zu offiziellen
gegenseitigen Besuchen mit öffentlichen Gemeinderatssitzungen und feierlichen
Reden kam, pflegten die beiden Partnerschaftsbegründer schon seit fast zehn
Jahren eine Freundschaft, die größer war als eine kriegerische Vergangenheit
ihrer Völker und 850 Kilometer Entfernung locker überbrückte. Engelbrecht und
Mitifiot hatten sich 1948 in der IBU kennengelernt, der „Internationalen
Bürgermeisterunion für deutsch-französische Verständigung“. Es heißt, „die Ziele
der Partnerschaft“ seien ihnen „eine Herzensangelegenheit“ gewesen. Rolf
Engelbrecht war ein frankophiler Mensch, wie sein Gegenüber einmal so
beschrieben hat: „Sein Eifer, sich in der Sprache Molières perfekt auszudrücken,
wog auf eine für mich sehr vorteilhafte Weise meine eigene Faulheit beim
Erlernen der Sprache Goethes auf.“ Übrigens heißt es immer wieder, die IBU habe
die Städte-Ehe wegen struktureller Gemeinsamkeiten empfohlen. Auch Weinheim
verfügte seinerzeit über einen eigenen Obstgroßmarkt.
Fleury Mitifiot hat seine Motive 1997 noch einmal in einem Brief an den
damaligen Weinheimer Oberbürgermeister Uwe Kleefoot beschrieben: „Unsere
gemeinsame Entschlossenheit war auch deshalb so groß, weil ich selbst der
Herrschaft der Waffen-SS ausgesetzt war. Wenn Jugendliche aus Weinheim sich mit
Jugendlichen aus Cavaillon treffen würden, so dachten Rolf Engelbrecht und ich,
würden die bitteren Erfahrungen der Vergangenheit in einem neuen Licht
erscheinen“. Drei Jahre lang hatten Hitlers Soldaten im Krieg die Provence
besetzt.
Kurze Zeit nach der Partnerschaftsgründung des Jahres 1958 bestand Mitifiot auf
einem gegenseitigen Treffen ehemaliger Kriegsgefangener. Später bekannte er:
„Dies war das Ereignis im Rahmen dieser Partnerschaft, das mich am meisten
berührt hat.“ Die Vereinigungen der Kriegsgefangenen wurden später zu einer
Säule der Jumelage.
Schon vor der offiziellen Verschwisterung gab es übrigens gegenseitige Besuche
von Jugendgruppen des Stadtjugendrings, und eine Folkloregruppe aus Cavaillon
beteiligte sich am Festzug zur Weinheimer 1200-Jahr-Feier 1955. Eine Tradition,
die heute noch Jahr für Jahr zur Fastnachtszeit fortgesetzt wird, am eifrigsten
zwischen der Karnevalsgesellschaft Weinheimer Blüten und dem „Corso-Comité“ in
Cavaillon.
50 Jahre Jumelage feiern Weinheim und Cavaillon in diesem Jahr, unter anderem
mit einem Provence-Markt zum „Weinheimer Herbst“ im September. Ebenso feiern
mehr als 50 Frauen und Männer aber auch zeitgleich ein persönliches Erlebnis mit
dieser außergewöhnlichen Städtepartnerschaft. Denn im Rahmen und gefördert von
einer Stiftung besuchten sie als junge Menschen, meist Auszubildende in einem
Lehrberuf, jeweils für ein halbes Jahr die Partnerstadt, um dort die andere
Sprache, andere Sitten, aber auch die Geschichte der Jumelage kennenzulernen.
Diese Stiftung wurde zum 25-jährigen Bestehen der Partnerschaft gegründet,
feiert also ebenfalls ein Jubiläum. Theo Gießelmann und Fernand Lombard hießen
damals die amtierenden Rathauschefs in Weinheim und Cavaillon. Sie erinnerten
sich der Gründung einer der ersten Städtepartnerschaften überhaupt und nannten
ihre Stiftung nach den Männern der ersten Stunde: Engelbrecht und Mitifiot.
Quelle
www.weinheim.de (14.01.2008)